Dr. Pablo Barrecheguren erklärt, was Optogenetik ist, welche präklinischen Ergebnisse sie liefert und welche technischen sowie moralischen Herausforderungen diese Technik mit sich bringt.
Von allen in den letzten Jahren in den Neurowissenschaften entwickelten Techniken hat sich die Optogenetik mit Sicherheit am schnellsten als Arbeitstool in den Laboren etabliert.
Ihr Gebrauch ist so weit verbreitet, dass bereits eindrucksvolle präklinische Ergebnisse vorliegen. So wird beispielsweise aktuell ihr Einsatz als Therapie bei neurologisch bedingten Sehstörungen untersucht und, bei den Sinnen bleibend, konnten bereits bei Nagetieren Systeme entwickelt werden, die mithilfe dieser Technologie einen Teil des Hörvermögens wiederherstellen, als mögliche Alternative zu den heutigen Cochlea-Implantaten. Auch wenn die Studien präklinisch und zurückhaltend sind, sind dies hervorragende Ergebnisse, bedenkt man die relative Jugend dieser Methode. Aber … was genau ist Optogenetik?
Was ist Optogenetik genau?
Die Optogenetik basiert auf dem Einsatz lichtempfindlicher Ionenkanäle und -pumpen (Opsine) zur Aktivierung oder Hemmung von Neuronen, wodurch die neuronale Aktivität in vivo manipuliert werden kann. Dabei ist zu beachten, dass die Opsine mittels Gentechnik in die Zellen eingebracht werden, wobei zwei Varianten unterschieden werden können:
- Injektion viraler Vektoren in erwachsene Organismen. Dabei werden virale Partikel erzeugt, die die Opsine tragen. Diese Viren werden direkt in den Hirnbereich injiziert, in dem Optogenetik angewendet werden soll. Die Viren infizieren die Neuronen, die daraufhin beginnen, Opsine zu produzieren;
- direkte Erzeugung genetisch modifizierter Tiere, die Opsine in bestimmten Hirnregionen exprimieren, oder Injektion viraler Vektoren in utero im Gehirn von Modellorganismen.
Untersuchungen
Je nach Forschungsfeld wird in einem Modellorganismus, meist Mäusen, die eine oder andere Strategie angewendet. In jedem Fall ergibt sich ein Lebewesen mit Opsinen in seinen Neuronen. Wenn diese Neuronen mit Licht stimuliert werden, reagieren die Opsine darauf, indem sie je nach durchgeführter Modifikation eine Aktivierung oder Hemmung der Neuronen erzeugen. Und da man sehr spezifisch auswählen kann, welche Neuronen Opsine exprimieren und welche nicht, können wir die Aktivität ganz bestimmter neuronaler Bahnen nach Belieben steuern.
Das ist entscheidend, um die Funktion neuronaler Netzwerke zu identifizieren. Wenn wir beispielsweise vermuten, dass die Aktivierung bestimmter Neuronen den Appetit steigert, können wir eine Maus mit Opsinen in genau diesen Neuronen erzeugen, diese Zellen mit Licht stimulieren und beobachten, ob die Maus mehr Kalorien aufnimmt. Tatsächlich funktioniert das System wie ein Schalter, sodass wir die Neuronen ein- oder ausschalten können, wann immer wir wollen, und gleichzeitig in Echtzeit verfolgen können, wie sich das Verhalten des Tieres verändert oder nicht.
Dies hat die Optogenetik zur mächtigsten Methode für Verhaltensstudien gemacht. Ihr Potenzial zeigt sich jedoch auch in der Erforschung der Gehirnentwicklung, da wir durch gezielte Veränderungen der neuronalen Aktivität untersuchen können, ob und wie sich das Nervensystem dadurch entwickelt.
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Herausforderungen der Optogenetik
Dennoch ist es wichtig zu bedenken, dass es sich weiterhin um Grundlagenforschung in der biomedizinischen Forschung handelt, die zahlreiche Hürden überwinden muss, bevor sie in der Klinik eingesetzt werden kann. Hier sind zwei der größten Hindernisse:
- In der Regel wird die Stimulationslichtzufuhr durch die Implantation eines intrakraniellen Geräts realisiert. Obwohl dies chirurgisch möglich ist, muss man dies bei einem möglichen Einsatz am Menschen sehr ernst nehmen.
- Damit die Technik funktioniert, ist es notwendig, den Organismus genetisch zu manipulieren. Zwar ist es bereits möglich, transgene nicht-menschliche Primaten zu erzeugen, doch sind diese extrem selten und ihr Einsatz wesentlich komplexer als bei anderen Modellorganismen. Selbst wenn alle technischen Probleme gelöst sind, bleibt der ethische Konflikt bestehen, Menschen genetisch zu verändern, um die Optogenetik biomedizinisch anwenden zu können.
Es ist offensichtlich, dass die technischen wie moralischen Herausforderungen der Optogenetik ihrem großen Potenzial in der Neurowissenschaft entsprechen. Daher ist es eine Methode, die in den kommenden Jahren besondere Aufmerksamkeit verdient.
Referenzen
- Deubner, J., Coulon, P., & Diester, I. (2019). Optogenetic approaches to study the mammalian brain. Current Opinion in Structural Biology, 57(1), 157–163.
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- Keppeler, D., Vogl, C., Dieter, A., Moser, T., Huet, A., Jeschke, M., … Duque-Afonso, C. J. (2018). Optogenetic stimulation of cochlear neurons activates the auditory pathway and restores auditory-driven behavior in deaf adult gerbils. Science Translational Medicine, 10(449), eaao0540.
- Roska, B., & Sahel, J.-A. (2018). Restoring vision. Nature, 557, 359-367.
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Dieser Artikel wurde übersetzt; Link zum Originalartikel auf Spanisch:
¿Qué es la optogenética?







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