In diesem Artikel erklärt die Expertin für Neuropsychologie Cristina Troyano Jiménez, was eine frontotemporale Demenz ist, welche Arten man unterscheidet sowie die Symptome, Ursachen, Diagnose und Behandlung.
Was ist eine frontotemporale Demenz?
Bei der Frontotemporalen Demenz (FTD) handelt es sich um eine Demenz mit geringerer Inzidenz, an der vor allem jüngere Menschen (40-65 Jahre) leiden. Sie ist die zweithäufigste Ursache für präsenile Demenz und betrifft die Frontal- und Temporallappen.
Die häufigsten Symptome sind Veränderungen im Verhalten und der Persönlichkeit. Die Betreuung von Patient:innen mit frontotemporaler Demenz kann schwierig sein. Sie können aufgrund von Persönlichkeitsveränderungen zahlreiche Konflikte hervorrufen, darunter auch Konfrontationen mit anderen und sogar mit ihren Angehörigen.
Arten der frontotemporalen Demenz
Die frontotemporale Demenz betrifft den Frontal- und Temporallappen, was zu einer Atrophie dieser führt. Im Gegensatz zu anderen Demenzerkrankungen führt die Beteiligung zu Verhaltensänderungen, Sprach- und Sprechproblemen und in einigen Fällen zu Bewegungsstörungen.
1. Frontotemporale Demenz mit Verhaltensauffälligkeiten:
Bei diesen Patient:innen treten Persönlichkeitsveränderungen auf. Ihr Verhalten ändert sich in Bezug auf die Emotionen. So können sie sich z.B. sehr aufregen oder im Gegenteil so gehemmt sein, dass sie sich nicht einmal von der Stelle bewegen würden, wenn man sie nicht dazu auffordert.
Zu den Persönlichkeitsveränderungen gehören Enthemmung und zunehmend unangemessenes Verhalten, wie:
- Vernachlässigung der Hygiene,
- teilweise gesteigertes Interesse an Sex, wobei einige Betroffene das Klüver-Bucy-Syndrom entwickeln (gesteigertes Interesse an Sex, Lippenschmatzen und das Stecken von Gegenständen in den Mund ….).
- Sprache wird obszöner
- das Zeigen sich wiederholender Verhaltensweisen,
- Zunahme von Impulsivität oder Zwängen.
2. Frontotemporale Demenz mit Aphasie:
In diesen Fällen ist der am meisten betroffene Bereich die Sprache, und die Betroffenen haben Probleme beim Sprechen, Kommunizieren, Lesen, Schreiben und Verstehen.
Es beginnt mit Sprachstörungen, Anomie, Artikulationsstörungen usw. Die Krankheit schreitet immer weiter fort, bis keine Kommunikation mehr möglich ist, wobei die sprachlichen Symptome jahrelang die einzigen Symptome dieser Art der Demenz sein können. In anderen Fällen schreitet die Krankheit schneller voran. Mit dem Fortschreiten der Krankheit neigen die Betroffenen dazu, immer weniger zu sprechen, bis sie schließlich gar nicht mehr sprechen.
3. Frontotemporale Demenz mit Bewegungsstörungen:
Die Bewegung ist beeinträchtigt und kann zu FTD mit Parkinsonismus oder FTD mit amyotropher Lateralsklerose (ALS) führen.
Eine Form der frontotemporalen Demenz ist die Pick-Krankheit oder auch Morbus Pick, die durch schwere Atrophie, Zelltod und das Vorhandensein von abnormen Pick-Zellen gekennzeichnet ist.
Symptome der frontotemporalen Demenz
- Die Symptome sind progressiv, aber der Verlauf ist von Patient:in zu Patient:in unterschiedlich,
- sie beeinflussen Persönlichkeit, Verhalten und Sprache,
- Gedächtnisstörungen sind weniger vorhanden als bei anderen Demenzerkrankungen,
- Schwierigkeiten beim abstrakten Denken, der Aufmerksamkeit und dem Kurzzeitgedächtnis,
- die Planung und Organisation zur Durchführung von Aufgaben oder zur Entwicklung von Ideen sind betroffen
- Betroffene sind leicht ablenkbar, aber oft orientiert und können die Aktivitäten des täglichen Lebens ausführen.
- Dysarthrie oder Schwierigkeiten, Sprache zu artikulieren,
- Betroffene mit Aphasie haben oft eine Schwäche der Kopf- und Halsmuskulatur und daher eine Beeinträchtigung beim Schlucken,
- Anomie (Nicht-Erkennen von Gegenständen) und Prosopagnosie (Nicht-Erkennen von Gesichtern) kann auftreten.
Ursachen der frontotemporalen Demenz
Die Ursachen der frontotemporalen Demenz sind noch nicht vollständig geklärt, aber es steht fest, dass Patient:innen mit dieser Pathologie eine erhöhte Menge oder abnorme Formen von TAU- und TDP-43-Proteinen in den Neuronen aufweisen, deren Anhäufung zu Schäden und anschließendem Zelltod führt.
In anderen Fällen scheint eine genetische Mutation vorzuliegen und es scheint eine Verbindung zwischen der Verhaltensvariante und dieser Ursache zu bestehen. Man geht davon aus, dass zwischen 10-30 % der Patient:innen mit frontotemporaler Demenz von dieser Variante betroffen sind. Es hat sich auch gezeigt, dass es bei einer familiären Vorgeschichte von FTD eine genetische Ursache gibt.
Diagnose der frontotemporalen Demenz
Die Diagnose der frontotemporalen Demenz ist komplex, da die Symptome mit denen anderer Demenzerkrankungen verwechselt werden können. Nicht selten wird sie zunächst als Demenz vom Alzheimer-Typ fehldiagnostiziert, da es sich um eine weniger häufige und weniger bekannte Art der Demenz handelt. In diesen Fällen wird auch häufig die falsche Medikation angewendet.
Dies bringt uns zu der großen Bedeutung einer genauen Diagnose. Seit Jahren beobachte ich Fälle wie diesen, bei denen die Medikamente nicht adäquat wirkten, und die Symptome erst dann zurückgingen, wenn die Diagnose korrekt war und die Medikation entsprechend angepasst wurde. Glücklicherweise verfügen wir heute über ausreichende bildgebende Verfahren, mit denen wir sehen können, wo sich die Erkrankung auf der Ebene des Gehirns befindet, um die Diagnose zu untermauern.
Zu den neuesten Techniken der Bildgebung gehören das MRT des Gehirns und die Diffusionsbildgebung, die uns helfen, eine genauere Diagnose zu stellen.
Die Diagnose der frontotemporalen Demenz wird in der Regel erst nach einer Befragung der Patient:innen und der Familienangehörigen, ergänzt durch bildgebende Untersuchungen gestellt. In einigen Fällen, in denen ein Verdacht auf Vererbung besteht, würde ein Gentest die Diagnose bestätigen.
Leider lässt sich dies, wie bei fast allen Demenzerkrankungen, nur a posteriori durch eine Autopsie des Gehirns feststellen.
Behandlungen der frontotemporalen Demenz
1. Medikamentöse Behandlung
Als pharmakologische bzw. medikamentöse Behandlung ist der Einsatz von Antipsychotika (Neuroleptika) bei Patient:innen mit Verhaltensproblemen, insbesondere zwanghaftem Verhalten, eine Möglichkeit. Ebenfalls ratsam ist die Anwendung von Antidepressiva sowie bei spezfische Medikamente bei Bewegungsproblemen.
Eine neue Behandlungsmethode umfasst Natriumselenat, welches die Aktivität des Enzyms Proteinphosphatase 2A erhöht. Dieses Enzym baut das Protein TAU ab, das bei Demenzpatient:innen in hohen Konzentrationen in den Neuronen vorhanden ist.
2. Nicht-medikamentöse Behandlung
Bei der nicht-pharmakologischen Behandlung gibt es je nach Art der Patient:innen verschiedene Möglichkeiten.
Bei Patient:innen mit Sprachproblemen ist es wichtig, dass sie Logopäd:innen aufsuchen.
Für Patient:innen mit Bewegungsproblemen wird eine Physiotherapie empfohlen.
Und generell der Einsatz von Ergotherapie und kognitivem Training, auch wenn, im Vergleich zu anderen Demenzerkrankungen, die Orientierung und das Gedächtnis ursprünglich nicht so stark betroffen sind. Trotzdem ist es wichtig an allen Bereichen des Gehirns zu arbeiten.
Und vor allem die tägliche Routine ist für diese Patient:innen wichtig.
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Entwicklung der frontotemporalen Demenz
Der Verlauf der frontotemporalen Demenz unterscheidet sich von anderen Demenzerkrankungen wie der Alzheimer-Krankheit. Sie ist in der Regel fortschreitend und hängt vom Profil der jeweiligen Patient:innen ab.
Bei einigen Patient:innen verläuft die Entwicklung langsamer und dauert etwa zehn Jahre, bei anderen geht sie schneller und hängt von der Art der Läsion ab. So wird beispielsweise ein Patient mit Aphasie irgendwann Schluckstörungen wie Dysphagie entwickeln, und die Entwicklung wird völlig anders verlaufen als bei einem Patienten mit Mobilitäts- oder Verhaltensproblemen.
Die Verhaltensvariante ist die am schnellsten fortschreitende Art, die Aphasievariante hat einen mittleren Verlauf.
Die durchschnittliche Lebenserwartung von Betroffenen liegt zwischen 6 und 8 Jahren, maximal 15 Jahren nach Diagnosestellung.
Wie bei allen Demenzerkrankungen kommt es neben einer frühzeitigen und korrekten Diagnose darauf an, den Verlauf der Krankheit so schnell wie möglich durch verschiedene Maßnahmen zu mildern: kognitives Training, Physiotherapie, Ergotherapie usw.
Ich arbeite seit vielen Jahren in diesem Bereich und habe Patient:innen aller Art gesehen. Ich habe auch gesehen, wie all diese Maßnahmen dazu führen können, dass die Krankheit langsamer fortschreitet. In den letzten drei Jahren, während der Pandemie, konnten viele Patient:innen keine Tagespflegen oder andere (teilstationäre) Einrichtungen mehr aufsuchen und die Entwicklung ihrer Erkrankung ist schneller verlaufen. Das Gesundheitssystem hat mit den COVID-19-Protokollen die Fachbereiche rund um die Demenz ein wenig vernachlässigt und viele Patient:innen wurden in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Sowohl die pharmakologische als auch die nicht-pharmakologische Behandlung setzten zu spät ein und wir haben viele Patient:innen gesehen, deren Erkrankung sehr weit fortgeschritten war und die Verhaltensstörungen haben. Dies macht die Arbeit mit den Patient:innen sehr schwierig. Dies sind nur einige der Begleitprobleme einer Pandemie, bei der alles zum Stillstand gekommen ist.
Schlussfolgerungen
Die Frontotemporale Demenz ist wie viele andere Demenzerkrankungen eine psychosoziale Erkrankung, da sie nicht nur die Patient:innen selbst, sondern auch ihr Umfeld, die Betreuenden und die Angehörigen betrifft.
Vielleicht erreichen wir jetzt den Höhepunkt dieser stillen Pandemie, von der mit der Alterung der Bevölkerung immer mehr Menschen betroffen sind. In Bezug auf die Ursachen, die Medikamente, die Technologie, die Diagnose und die Bewältigung des Alltags (durch verschiedene Therapien) wurden große Fortschritte erzielt.
Es liegt noch ein langer Weg vor uns. Zweifellos werden die Fortschritte in der Gentechnik und Technologie in Zukunft zu einer sehr frühen Diagnose und eines Tages sogar zur Ausrottung der Krankheit beitragen, so wie viele Krankheiten in der Vergangenheit ausgerottet wurden. Aber in der Gegenwart machen wir Tag für Tag weiter, bekämpfen die Krankheit mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln und versuchen, den Patient:innen und ihrem Umfeld Lebensqualität und Würde zu geben.
Die Alzheimer-Krankheit löscht das Gedächtnis, nicht die Gefühle.
Pascual Maragall
Referenzen
- Parkin, A. (2003). Exploraciones en Neuropsicología, Editorial Médica Panamericana.
- Carpintero H, Delius J, Fierro A, León Carrión A. (2001), Neuropsicología Cognitiva, algunos problemas actuales. Ediciones Aljibe.
- HYPERLINK „https://www.msdmanuals.com/es-es/hogar/authors/huang-juebin“ Juebin Huang, MD, PhD, Department of Neurology, University of Mississippi Medical Center. Ultimo revisión completa mar. 2021.
- https://www.mayoclinic.org/es-es/diseases-conditions/frontotemporal-dementia/diagnosis-treatment/drc-20354741.2022
- https://www.alzheimers.gov/es/alzheimer-demencias/demencia-frontotemporal.2022