Manuel Cassinello Marco, Facharzt für Neuropsychiatrie und Psychologe, erklärt in diesem Artikel, die Auswirkungen der frontotemporalen Demenz.
Wenn wir an Demenz denken, denken wir in der Regel zuerst an die Alzheimer-Krankheit. Doch in Wirklichkeit gibt es viele andere Arten von neurodegenerativen Erkrankungen, die eine fortschreitende Atrophie in verschiedenen Teilen des Gehirns verursachen. Hierzu gehört auch die frontotemporale Demenz. Es ist entscheidend, die Symptome frühzeitig zu erkennen, um sich rasch an Spezialist:innen zu wenden und eine Rehabilitation bzw. Therapie zu beginnen.
Degeneration und frontotemporale Demenz
Frontotemporale Demenz oder (veraltet) Morbus Pick bezeichnet ein klinisches Syndrom, bei dem das vorherrschende klinische Bild aus Persönlichkeitsstörungen in Verbindung mit Verhaltensstörungen, Sprachstörungen und kognitiven Beeinträchtigungen besteht. Es ist jedoch wichtig, sie von der frontotemporalen Degeneration abzugrenzen. Letztere bezieht sich nur auf das Vorhandensein einer Atrophie, die auf den vorderen Präfrontal- und Temporallappen beschränkt ist. Mit anderen Worten, es kann auch eine Atrophie ohne eine damit verbundene klinische Demenz vorliegen.
Die frontotemporale Demenz, auch bekannt als Morbus Pick, ist nach ihrem Entdecker Arnold Pick benannt und bezieht sich auf das Vorhandensein so genannter Pick’scher Körper, d. h. Gruppen geschädigter Neuronen aufgrund von Ablagerung und der Unfähigkeit, das so genannte Tau-Protein zu eliminieren, und ist mit einem damit verbundenen Phänomen, der so genannten Gliose, verbunden, die eine narbenartige Läsion hinterlässt.
Symptome der frontotemporalen Demenz
Wenn wir von frontotemporaler Demenz sprechen, ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir uns nicht auf ein einziges klinisches Bild beziehen, sondern auf verschiedene Erscheinungsformen, die gemeinsame Läsionen aufweisen, deren klinische Manifestation jedoch variieren kann. Aus diesem Grund müssen wir in diesem Abschnitt zwischen den drei wichtigsten klinischen Varianten unterscheiden: der frontotemporalen Demenz in der Verhaltensvariante, der primär progressiven Aphasie und der semantischen Demenz.
- Verhaltensvariante: Dies ist die häufigste Variante, und die üblichen Symptome sind:
- Verhaltensauffälligkeiten,
- Persönlichkeitsveränderungen,
- Apathie (bei dieser Darstellung ist Vorsicht geboten, da sie häufig mit einer Depression verwechselt wird),
- Enthemmung,
- unangemessenes Verhalten,
- mangelndes Urteilsvermögen,
- Ernährungsstörungen wie die Aufnahme von nicht nahrhaften Substanzen (z. B. verdorbene Lebensmittel),
- Vernachlässigung von Hygiene und Körperpflege,
- Starrheit in ihrem Verhalten,
- Reizbarkeit.
- Primär Progressive Aphasie: Zu den Symptomen gehören:
- Anomie oder Schwierigkeiten bei der Wortfindung oder der Benennung von Gegenständen (dies wäre das grundlegende Symptom),
- unangemessener Gebrauch der Verbformen,
- Änderung der Wortfolge,
- größere grammatikalische Fehler,
- Mutismus (dies wäre das letzte Symptom in der Entwicklung dieser Variante).
- Semantische Demenz: Bei dieser letzten Form hat die Person in der Regel:
- Probleme, das Gelesene und Gehörte zu verstehen,
- Schwierigkeiten, Objekte zu benennen oder gar zu beschreiben,
- weitestgehend Bewahren des autobiografischen und des episodischen Gedächtnisses. Auffallend ist hierbei, dass Betroffene trotz des eingeschränkten Verständnisses in der Lage zu sein scheinen, ein normales Gespräch zu führen. Schat man jedoch genauer hin, so ist dieses Gespräch „leer“ an Informationen.
Phasen der frontotemporalen Demenz
Obwohl der Verlauf bei allen Varianten progressiv ist, mit gelegentlicher Verschlechterung durch die Entwicklung von Komplikationen wie Infektionen, würde ich für praktische Zwecke zwei Phasen unterscheiden:
- Phase 1 oder präsymptomatische Phase: In dieser Phase treten die üblichen Symptome der verschiedenen Formen der frontotemporalen Demenz (noch) nicht auf. Wir können jedoch einige Symptome wie Apathie, Desinteresse oder Aufmerksamkeitsstörungen feststellen. Auch wenn die Familie in dieser Phase beginnt, Situationen wahrzunehmen, die unüblich sind, wird dem möglicherweise keine größere Bedeutung beigemessen, wenn Demenz in der Familiengeschichte bisher nicht vorgekommen ist.
- Phase 2 oder symptomatische Phase: In dieser Phase beginnen die häufigsten Symptome der einzelnen Varianten aufzutreten. Die Entwicklung sowie die Anzahl der Symptome und ihre Intensität sind von Person zu Person sehr unterschiedlich und hängen unter anderem vom Auftreten von Komplikationen wie Krankenhauseinweisungen, Harnwegsinfektionen, Dekompensation anderer Krankheiten, Wohnortwechsel usw. ab. In dieser Phase ist in der Regel eine zunehmende Abhängigkeit von Pflegekräften und Angehörigen zu beobachten.
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Ursachen der frontotemporalen Demenz
Wie bereits erwähnt, denken wir bei Demenz meist an die Alzheimer-Krankheit. Die frontotemporale Demenz macht jedoch etwa 5-10 % aller Demenzerkrankungen aus, und dieser Prozentsatz steigt auf etwas mehr als 20 %, wenn die Krankheit vor dem Alter von 65 Jahren beginnt. Wie bei der Alzheimer-Krankheit ist der Verlauf chronisch und fortschreitend.
Frontotemporale Demenz hat eine starke genetische Komponente und in bis zu 50 % der Fälle gibt es eine Familienanamnese für frontotemporale Demenz, psychiatrische Störungen oder ALS. Sie tritt bei beiden Geschlechtern gleichermaßen auf und wurde mit mehreren Genen in Verbindung gebracht: PGRN (Progranulin-Gen) und MAPT (Mikrotubuli-assoziiertes Tau-Protein), die beide auf Chromosom 17q21 liegen. Dies bedeutet, dass die frontotemporale Demenz in einem hohen Prozentsatz der Fälle vererbbar ist.
Diagnose der frontotemporalen Demenz
Wie bei anderen Demenzerkrankungen ist die Diagnose klinisch und erfordert eine Reihe von Tests, wie z. B. die Durchführung von folgenden Untersuchungen:
- Blutuntersuchungen, einschließlich Vitamin B12, Folsäure, Schilddrüsenhormone und generell alle Parameter, die es uns ermöglichen, sie von einer reversiblen Demenzursache zu unterscheiden.
- Liquordiagnostik, bei der der Gehalt an Tau-Proteinen analysiert werden kann, um die Art der Demenz von der Alzheimer-Demenz unterscheiden zu können.
- Bildgebende Untersuchungen wie eine anatomische und funktionelle Kernspintomographie (MRT) des Gehirns, bei der eine Atrophie in beiden Frontallappen und eine verringerte Aktivität in den Frontallappen festgestellt werden kann. Manchmal kann auch eine Atrophie in den Temporallappen beobachtet werden.
Da es sich um keine einheitliche Erkrankung handelt und es drei verschiedene Formen gibt, ist es üblich, dass die Ergebnisse der Bildgebung von einer Person zur anderen und von einer klinischen Form zur anderen variieren können.
Behandlung der frontotemporalen Demenz
Leider gibt es bis heute keine heilende Behandlung für die frontotemporale Demenz, die Behandlung ist symptomatisch. Folgende Behandlungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung:
- Antidepressiva: Vorzugsweise solche, die als Erstlinientherapie oder Serotoninergika bezeichnet werden, da aufgrund des Bereichs, in dem die Atrophie auftritt, ein größeres Serotonindefizit besteht, das von diesen Behandlungen profitieren kann.
- Trazodon: Ein atypisches Antidepressivum, das zur Behandlung von Verhaltensstörungen eingesetzt wird und gut verträglich ist.
- Antipsychotika (Neuroleptika): In niedriger Dosierung helfen sie, Reizbarkeit, Verhaltensstörungen, eventuell auftretende psychotische Symptome und Schlaflosigkeit zu lindern.
- Für Acetylcholinesterasehemmer oder Memantin, die häufig bei der Alzheimer-Krankheit eingesetzt werden, gibt es keine eindeutigen Belege, die ihren Einsatz bei Patient:innen mit frontotemporaler Demenz empfehlen.
- Kognitive Rehabilitation: Heute gibt es zahlreiche Programme zur kognitiven Rehabilitation, die zwar den Krankheitsverlauf nicht verändern, aber eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität dieser Patient:innen ermöglichen, indem sie ein professionell angeleitetes Training der auftretenden Defizite erlauben.
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Was die Lebenserwartung betrifft, so ist die Spanne der Jahre sehr groß. In der Regel liegt sie jedoch zwischen zwei und zehn Jahren nach der Diagnose.
Deshalb ist es wichtig, einen multidisziplinären Ansatz zu verfolgen, an dem Neurolog:innen, Ergotherapeut:innen, Logopäd:innen, Neuropsychiater:innen und Neuropsycholog:innen beteiligt sind. Die Kombination all dieser Fachkräfte zielt darauf ab, eine gute Behandlung durchzuführen, sowohl pharmakologisch als auch rehabilitativ, um die Lebensqualität, nicht nur für die Patient:innen, sondern auch für ihre Betreuer:innen zu verbessern.
Literaturverzeichnis
- Abhandlung über Neuropsychogeriatrie (Spanisch).
- Neuropsicología von Javier Tirapu Ustárroz, Marcos Ríos Lago und Fernando Maestú Unturbe.
- Einführung in die Psychopathologie und Psychiatrie von J. Vallejo (Spanisch).
- Alzheimer-Krankheit und andere Demenzkrankheiten von R. Alberca und S. López-Pouda (Spanisch).
- Geriatrische Psychiatrie von Agüera, Martín und Sánchez (Spanisch).
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