Yolanda Virué Lapuente, eine erfahrene Ergotherapeutin mit klinischer Erfahrung in der Behandlung von Menschen mit Multipler Sklerose, erläutert in diesem Artikel die wirksamsten Behandlungen unter Einsatz neuer Technologien zur Verbesserung kognitiver Funktionen bei MS-Patient:innen. Dabei geht sie insbesondere auf die Bedeutung einer erhöhten Compliance und der optimalen Behandlungsdauer für den Therapieerfolg ein.
Was ist Multiple Sklerose?
Multiple Sklerose ist eine entzündliche, demyelinisierende und neurodegenerative Erkrankung, die das Myelin im Zentralnervensystem angreift. Dies führt zu Schäden durch entzündliche Plaques oder Läsionen, die zu Vernarbung (Gliose) und anschließender Demyelinisierung führen, was die Symptome der Krankheit verursacht.
Obwohl viele Hypothesen aufgestellt wurden, ist die Ursache der Krankheit nicht mit Sicherheit bekannt. Es wurde versucht, den Ursprung der Ursachen und der Entwicklung dieser Krankheit in Umweltfaktoren, viralen Faktoren, genetischen Grundlagen und immunologischen Faktoren zu suchen, ohne bisher eine klare und objektive Antwort zu finden.
Die Demyelinisierung betrifft mehrere Stellen im zentralen Nervensystem und hinterlässt Sklerose-Plaques in der weißen Substanz, daher der Name Multiple Sklerose. Dieser Demyelinisierungsprozess führt zu einer Veränderung in der Sprungleitung der myelinisierten Bahnen, wodurch die Leitung von Nervenimpulsen verlangsamt oder sogar blockiert wird.
Epidemiologie
Jüngste Prävalenzstudien zeigen, dass die Erkennung der Multiplen Sklerose in den letzten Jahrzehnten weltweit erheblich zugenommen hat. In Spanien sind etwa 55.000 Menschen von Multipler Sklerose betroffen, einer Region mit einer mittelhohen Prävalenz der Krankheit in ihrer gesamten geografischen Ausdehnung. In Europa liegt die Zahl bei etwa 770.000, und weltweit leiden schätzungsweise 2,500.000 Menschen an der Krankheit. Multiple Sklerose ist die häufigste nicht-traumatische, neurologische Störung mit Folgen körperlicher Behinderung bei jungen Erwachsenen. Sie beginnt in jungen Jahren, etwa im Alter von 30 Jahren, und drei von vier Betroffenen sind Frauen.
Klinische Formen
Die Multiple Sklerose wird in der Regel anhand ihres Verlaufs klassifiziert, wobei drei Typen unterschieden werden:
- Die schubförmig-remittierende Form (RRMS), die am häufigsten vorkommt, tritt in 85% der Fälle auf. Die Symptome treten innerhalb von Stunden oder wenigen Tagen auf, und nach vollständiger oder teilweiser Remission haben die Patient:innen über einen variablen Zeitraum von Monaten oder Jahren keine weiteren klinischen Manifestationen. Nachfolgend erleiden die Patient:innen einen Rückfall, und der Prozess wiederholt sich sukzessive.
- Bei der primär progredienten Form (PPMS), die bei 15% der Patient:innen auftritt, schreitet die Krankheit von Anfang an ohne Schübe voran, wobei es zu vorübergehenden Stabilisierungen und Verbesserungen kommt, während sich die Behinderung im Laufe der Zeit immer weiter verschlechtert.
- Die sekundär progrediente (SPMS), die bei 10% der Patient:innen auftritt, äußert sich zunächst als schubförmig-remittierend und schreitet dann langsam und progressiv fort. Sie tritt häufiger im Alter von über 40 Jahren auf.
Und das klinisch isolierte Syndrom, das noch nicht als Diagnose der Multiplen Sklerose gilt und daher von manchen nicht als Typus angesehen wird. Es handelt sich um eine erste Episode neurologischer Symptome, die durch eine Entzündung und Demyelinisierung im Zentralnervensystem verursacht werden, mit vollständiger oder teilweiser Heilung.
Funktionelle Auswirkungen
Multiple Sklerose, die einen Teil des zentralen Nervensystems befällt, verursacht vielfältige Symptome im neurologischen Bereich. Ihr Verlauf ist meist schwankend, aber ohne Behandlung führt sie in der Regel zu unterschiedlichen Behinderungsgraden, die es in einem hohen Prozentsatz der Fälle unmöglich machen, normale Aktivitäten des täglichen Lebens auszuführen. Berücksichtigt man zudem das Alter, in dem die Krankheit auftritt, so sind ihre Auswirkungen in persönlicher, familiärer und sozialer Hinsicht sehr bedeutend, da sie die Entwicklung der Betroffenen beeinträchtigen und ihre Pläne in der aktivsten Phase ihres Lebens durchkreuzen.
Zahlreiche Studien belegen, dass bei 40-70 % der Patient:innen mit Multipler Sklerose kognitive Beeinträchtigungen vorliegen, die die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung, die Aufmerksamkeit, das Gedächtnis und die exekutiven Funktionen beeinträchtigen. Und obwohl die chronischen Phasen der Krankheit am häufigsten mit kognitiven Beeinträchtigungen verbunden sind, haben neuere Studien gezeigt, dass kognitive Beeinträchtigungen bereits zu Beginn der Krankheit nachweisbar sein können.
All diese Beeinträchtigungen der kognitiven Funktionen der Patient:innen haben erhebliche Auswirkungen auf ihre berufliche Tätigkeit und auf die Aktivitäten des täglichen Lebens, und können je nach Zustand und Stadium der Krankheit die Beschäftigung und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.
Einige der Aktivitäten des täglichen Lebens, bei denen Patient:innen mit Multipler Sklerose Schwierigkeiten haben können, sind unter anderem die Wahl geeigneter Kleidung für das Wetter, die Organisation der benötigten Hygieneartikel oder die korrekte Durchführung von Transfers vom Rollstuhl ins Bett. Auch bei den instrumentellen ATLs können Schwierigkeiten auftreten, beispielsweise beim Anpassen der Geschwindigkeit eines Elektrorollstuhls an die Umgebung oder beim korrekten Abzählen von Wechselgeld beim Einkaufen. Im beruflichen Bereich könnten sie Schwierigkeiten haben, aktiv nach einer geeigneten Arbeitsstelle zu suchen.
Möglichkeiten zur Behandlung unter Einsatz neuer Technologien
Die häufigsten digitalen Therapieansätze, die in zahlreichen Studien untersucht wurden, beinhalten Video- und Computerspiele für das häusliche Umfeld. Diese Spiele zielen darauf ab, kognitive Funktionen wie Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit und visuell-räumliche Fähigkeiten zu stimulieren. Es wurde festgestellt, dass diese Ansätze eine sehr hohe Compliance (über 90 %) aufweisen und zu einer Verbesserung der untersuchten kognitiven Funktionen führen.
- Videospiele: Hiermit sind Behandlungsmethoden gemeint, bei denen Tablets und Videospielkonsolen verwendet wurden. Die Teilnehmenden spielten Videospiele in Echtzeit, die auf ihr individuelles Leistungsniveau abgestimmt waren, um eine kontinuierliche und angemessene Herausforderung zu bieten. Ein Beispiel hierfür ist die Studie von De Giglio, welche die italienische Version von Dr. Kawashimas Gehirntraining für Nintendo untersuchte.
- Computer: Die Interventionen fanden im häuslichen Umfeld statt und umfassten alle erforderlichen Geräte sowie die Unterstützung durch einen Techniker, um eventuelle Probleme oder Zwischenfälle zu beheben. Die Spiele waren visuell ansprechend und boten zu Beginn jeder Übung eine kurze Anleitung. Sie waren anpassbar und konnten in ihrer Schwierigkeit dem Fortschritt der Teilnehmenden entsprechend angepasst werden.
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- Semi-immersive virtuelle Realität: Die Interventionen basieren auf Virtual-Reality-Training, bei dem kognitive Rehabilitation durch ein semi-immersives Virtual-Reality-System ermöglicht wird. Dieses schafft einen sensorischen Raum, in dem die Teilnehmenden durch sensorische Einbeziehung immersive Erfahrungen in verschiedenen realistischen Szenarien machen können, was die Rehabilitation unterstützt. Die Übungen können in Echtzeit und an die spezifischen Fähigkeiten der Teilnehmenden sowie die Überwachung ihrer Bewegungen angepasst werden, wie in der Studie von Maggio mit dem BTS Nirvana-System demonstriert wurde.
Was die Dauer und das Follow-up der Interventionen betrifft, so wurden in den meisten Studien Sitzungen von 25-30 Minuten an fünf Tagen pro Woche über einen Zeitraum von sechs, acht oder zwölf Wochen im häuslichen Umfeld durchgeführt. Während der gesamten Interventionszeit wurden die Teilnehmenden mehrmals besucht: zunächst zu Beginn der Intervention für eine Evaluation der kognitiven Funktionen, dann ein zweites Mal zur Evaluation der Effektivität der Behandlung und schließlich ein drittes Mal nach Abschluss der Intervention und einer achtwöchigen Pause, um die Langzeitwirkung zu bewerten.
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Schlussfolgerungen
Dieser Artikel untersucht die verschiedenen Ressourcen und Hilfsmittel, die in verschiedenen Studien zur Rehabilitation von Patient:innen mit Multipler Sklerose verwendet wurden. Das Ziel ist es, Fachkräften, die täglich mit der Betreuung dieser Patient:innengruppe zu tun haben, innovativere Therapieoptionen auf Basis neuer Technologien anzubieten. Dadurch sollen sie in der Lage sein, diese in ihre Behandlungspraxis zu integrieren und die Vorteile dieser neuen Ansätze voll auszuschöpfen.
Wir befinden uns in einer Zeit, in der vermehrt neue Behandlungsmethoden mit modernen Technologien für Patient:innen mit Multipler Sklerose entwickelt werden. Ziel ist es nicht nur, die Symptome zu lindern, sondern auch die Barrieren zu überwinden, die oft durch Entfernung, Verfügbarkeit oder Kosten entstehen. Dadurch soll die Behandlung für die Patient:innen einfacher zugänglich werden. Zusätzlich ist es wichtig zu beachten, dass die Art der Behandlung, wenn sie über Computer, Videospielkonsolen usw. erfolgt, von den Patient:innen oft als Spiel bzw. Unterhaltung wahrgenommen wird. Dies kann zu einer höheren Motivation und Compliance führen.
Die Ergebnisse zeigen eine klare Verbesserung bei den Behandlungen, die Videospiele und Computerspiele mit Übungen kombinierten, die schrittweise an die vom Patienten wahrgenommene Verbesserung angepasst wurden.
Diese Art der Behandlung ist auch diejenige, die von den Patient:innen am besten angenommen wird, da sie als motivierender, individueller und an ihre Bedürfnisse angepasst angesehen wird.
Alle untersuchten Behandlungen hatten eine Dauer von sechs bis zwölf Wochen, wobei acht Wochen am häufigsten vorkamen und als ausreichend angesehen wurden, um signifikante Verbesserungen festzustellen. Daher kann man acht Wochen als optimale Behandlungsdauer ansehen.
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