Ángel Sánchez, ein erfahrener Ergotherapeut mit über 15 Jahren Praxiserfahrung, schreibt in diesem Beitrag über das motorische Lernen im Rahmen der Rehabilitation bei erworbener Hirnschädigung.
Was ist motorisches Lernen?
In den letzten zwei Jahrzehnten wurde motorische Lernprozess auf verschiedene Arten definiert. Die motorische Kontrolle konzentriert sich auf das Verständnis und das Beherrschen der bereits erlernten Bewegungen. Andererseits besteht der motorische Lernprozess aus einer Reihe abstrakter Konzepte darüber, wie Bewegungen erworben und/oder modifiziert werden. Auf diese Weise bietet er eine zeitliche Perspektive, die sich auf die Merkmale des Lernprozesses konzentriert. Das Ziel der Untersuchung des motorischen Lernens besteht darin, Antworten zu finden, wie die Behandlungen optimiert werden können um maximale Ergebnisse in der Therapie zu erzielen, wie man den Wissenstransfer fördern kann und welche Übungen am Besten im Rehabilitationsprozess geeignet sind.
Ebenso ist es wichtig, zwei Aspekte in Bezug auf die Leistung motorischer Handlungen zu unterscheiden:
- Der Prozess einer motorischen Handlung, Aufgabe oder Funktion, die in einer bestimmten Zeit und in einem bestimmten Kontext durchgeführt wird, wird als „motorische Ausführung oder Leistung“ bezeichnet.
- Die Vorstellung des „motorischen Lernens„.
Die komplexe Interaktion zwischen Wahrnehmungs-, kognitiven und Handlungssystemen
Shumway-Cook und Woolacott definieren das motorische Lernen als „eine Reihe von Prozessen, die mit Praxis oder Erfahrung verbunden sind und relativ dauerhafte Veränderungen in der Fähigkeit zur Durchführung einer kompetenten Handlung mit sich bringen“. Motorisches Lernen umfasst nicht nur motorische Prozesse, sondern auch die Mechanismen zur Entwicklung neuer unterstützender Strategien erfordern die komplexe Interaktion der Wahrnehmungs-, kognitiven und Handlungssysteme für die Ausführung der Aktivitäten des täglichen Lebens.
Auf der anderen Seite entsteht die Entwicklung einer neuen Fertigkeit aus der Beziehung, die das Individuum zur ausgeübten Aktivität und dem Kontext, in dem sie stattfindet, herstellt. Auf diese Weise erfordern die Wiedererlangung der Funktion oder das Wiedererlernen die Suche nach neuen Lösungen, die mit einer spezifischen Aktivität in einer bestimmten Umgebung in Zusammenhang stehen, wobei die durch die klinischen Merkmale des Subjekts auferlegten Einschränkungen berücksichtigt werden. Daher sollte das motorische Lernen oder die Wiederherstellung einer Funktion nicht isoliert betrachtet werden, sondern unter Berücksichtigung des Kontexts, in dem Individuen praktische Lösungen für funktionale Aktivitäten in spezifischen Umgebungen entwickeln.
Das Lernen komplexer Fähigkeiten
Das Lernen komplexer Fertigkeiten wie Alltagsaktivitäten erfordert das Verständnis von Prozessen, die derzeit noch unbekannt sind. Daher werden sie gemäß einem organisierten Konzept untersucht, das sich von „einfach“ zu „komplex“ in Bezug auf die Verhaltensfertigkeiten erstreckt, die erlernt werden müssen.
Faktoren, die das motorische Lernen beeinflussen
Es gibt vier Faktoren, die das motorische Lernen beeinflussen:
- Die Phase des Lernens.
- Die Art der Aufgabe, die erlernt werden soll.
- Das Feedback oder die Rückmeldung.
- Die Merkmale der Praxis für das Lernen.
Alle diese Faktoren müssen bei der Durchführung von Interventionen berücksichtigt werden. Jedoch scheinen die Merkmale der Praxis und des Feedbacks die entscheidenden Faktoren zu sein, damit der Lernprozess stattfinden kann.
Das motorische Lernen maximieren
Die Forschung auf dem Gebiet des motorischen Lernens versucht heruaszufinden, wie das Training im klinischen Umfeld am besten organisiert werden kann, um den Lernerfolg zu maximieren. Dabei werden Aspekte wie die Intensität des Trainings, die Ruhezeiten, die Reihenfolge der trainierten Bewegungen und Fähigkeiten, die Bedingungen und die Gestaltung der gestellten Aufgaben und/oder der Umfang der geübten Aufgabe berücksichtigt.
Methoden des motorischen Lernens
Die Lehrmechanismen sind für die Maximierung der Lernergebnisse von entscheidender Bedeutung und müssen an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden, wobei die Eigenschaften der Person, die zu trainierende Tätigkeit und der Kontext, in dem das Training stattfindet, zu berücksichtigen sind. So sind die Art der Information und der mündlichen Anleitung, der Einsatz von Modellierungs- und Gestaltungstechniken und die Vorerfahrungen der Testperson wichtige Faktoren, die zu berücksichtigen sind.
Mündliche Anleitung
Es handelt sich um eine der häufigsten und relevantesten Arten der Anleitung des Lernprozesses, deren größter Beitrag in der Regel darin besteht, eine globale Idee oder ein Bild der Bewegung zu erzeugen, das als Leitfaden für den ersten Versuch dienen kann. Sie betonen die Fähigkeit, Fehler zu erkennen, den Prozess zu lenken und die notwendigen Daten für die Erreichung des Ziels zu liefern, ohne zu vergessen, dass Worte die Komplexität einer Bewegung nicht durch eine Anweisung definieren können. Verbale Hilfen sind prägnante, kurze Sätze, die dazu dienen, die Aufmerksamkeit des Probanden auf die regulativen Bedingungen des Kontextes und als Schlüsselpunkte der Bewegungskomponenten der Fertigkeiten zu lenken.
Metakognition
Das Wissen über die eigenen motorischen Fähigkeiten sowie die frühere Erfahrung und das Bewusstsein für bestimmte wichtige Komponenten der Aktivität, bevor man mit dem Üben beginnt, beeinflussen das motorische Lernen.
Modellierung und Demonstration
Die Demonstration einer motorischen Fertigkeit, bei der die betroffene Person die Elemente der Handlung direkt beobachten können, verleiht der Verwendung von verbalen Anweisungen, die für sich genommen für das motorische Lernen möglicherweise nicht effektiv sind, eine größere Wirksamkeit. Informationen, die sich auf motorische Abläufe, räumliche und zeitliche Komponenten der Bewegung beziehen, können modelliert werden, insbesondere wenn die räumliche Komponente statisch und diskret präsentiert wird.
Wir wissen heute, dass beobachtete (modellierte) Informationen zum Erlernen der qualitativen Merkmale der motorischen Fähigkeit beitragen. Dies führt uns zu der Annahme, dass auch sehr komplexe visuelle Informationen durch Demonstration erlernt werden können.
Der Vorteil des Beobachtens einer geschickten Demonstration bzw. Vorführung besteht darin, dass der Beobachtende die Merkmale erkennt, die in dem Bewegungsmuster, das bei der Ausführung der Fertigkeit beobachtet wird, konstant sind. Die vielleicht erfolgreichste Strategie beim Einsatz des Modellierens bzw. der Demontration besteht darin, eine strukturierte Demonstration mit körperlichem Training durch den Beobachter zu kombinieren. Dies hat den Vorteil, dass die betroffene Person stärker in das problemlösende Lernen einbezogen wird.
Die Grundsätze der Strukturierung können Grenzen haben. Die Kombination aus Modellierung und körperlicher Übung führt jedoch zu einem besseren Lernerfolg als die bloße Beobachtung der körperlichen Übung der motorischen Fähigkeit im Vorfeld.
Einfluss von früheren Erfahrungen
Der Einfluss früherer Erfahrungen auf die Ausführung einer Tätigkeit in einem neuen Kontext oder auf das Erlernen einer neuen Fähigkeit können sein:
- Ein positiver Effekt (positiver Transfer). Wenn frühere Erfahrungen die Ausführung einer Fähigkeit in einem neuen Kontext oder das Erlernen einer neuen Fähigkeit erleichtern.
- Ein nachteiliger Effekt (negativer Transfer). Die betroffene Person hat aufgrund dieser früheren Erfahrung mehr Schwierigkeiten, eine neue Fähigkeit zu erlernen oder sie in einem neuen Kontext anzuwenden.
- Es könnte auch keine Auswirkung (neutraler Transfer) auf die motorische Fähigkeit haben. Der Begriff der Übertragung ist von grundlegender Bedeutung, da er versucht, die Mechanismen zu erklären, die dem Erlernen und der Kontrolle motorischer Fähigkeiten zugrunde liegen, sowie die Kontextvariablen, die für diesen Prozess wirksam sind.
Die Bedingungen für das Training und die Methoden zur Vermittlung motorischer Fähigkeiten haben einen deutlichen Einfluss auf den Lerntransfer. Verteiltes, variables und zufälliges Üben führt zu besseren Ergebnissen bei der Erhaltung der motorischen Fähigkeiten. Sie werden daher empfohlen, um den Lerntransfer zu fördern. In ähnlicher Weise kann Beobachtungslernen den Transfer fördern, je nachdem, welche motorischen Fähigkeiten das ausgewählte Modell ausführt. Dabei kann es sich um einen Anfänger (der noch lernt) oder einen Experten (der das Wissen bereits besitzt) handeln.
Die Spezifität der dargestellten Wirkungen scheint einen Leitfaden für die Festlegung der Determinanten der Wirksamkeit von Praktiken zu bieten, wenn man die Bedingungen berücksichtigt, unter denen die Umsetzung und der Transfer stattfinden werden. Der Versuch, diese Bedingungen zu antizipieren und dann die Praxistypen anhand dieser Merkmale zu klassifizieren, ist in der Praxis jedoch sehr komplex.
Bessere Bedingungen in der Praxis
Die besten Bedingungen für das Training bzw. die Behandlung bringen die Betroffenen dazu, dieselben Prozesse zu üben und zu erlernen, die sie auch im täglichen Leben anwenden. Jede Fähigkeit oder Aktivität profitiert von den vorherigen und wird auch von den zukünftigen profitieren. DasTraining von motorischen Fertigkeiten beinhaltet Übungsmöglichkeiten in simulierten Kontexten oder in Situationen des täglichen Lebens.
Bevor ein Rehabilitationsprogramm entwickelt wird, müssen die bisherigen Erfahrungen der Patient:innen mit ihren motorischen Fähigkeiten berücksichtigt werden. Auf diese Weise erhält der Einzelne die Möglichkeit, von Erfahrungen zu profitieren, die positive Transfers fördern und bei negativen Transfers helfen.
Motorisches Lernen sollte den klinischen Interventionsprozess zur Rehabilitation der motorischen Kontrolle leiten. Feedback, die Anzahl der Übungen und die Gestaltung der Rehabilitationssitzungen sind notwendige Faktoren in diesem Prozess.
Zielsetzung der praktischen Sitzungen
Ziel der praktischen Sitzungen sollte es sein, den Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, die Fähigkeit zu entwickeln, Tätigkeiten auszuführen, die den Einsatz der zu erlernenden Fähigkeiten erfordern, und sich die Handlungsziele dieser Tätigkeiten anzueignen, wenn sie auftreten.
Bedingungen, die die Btroffenen dazu ermutigen, Fehler zu machen (zufällig), sind vorteilhaft für das Erlernen von Fertigkeiten, da sie ihre Fähigkeit, diese in einer Vielzahl von Kontexten und Situationen auszuführen, maximieren.
Beim Training einer motorischen Fertigkeit, bei der sich die Person an die Bedingungen ihres Umfelds oder an Situationen anpassen muss, in denen sie noch keine Erfahrungen gesammelt hat, erfordert die Gestaltung der Umfeldes des Trainings, dass die Person die Fertigkeiten in so vielen verschiedenen Kontexten, Bedingungen und Situationen wie möglich ausführt.
Beim Training einer motorischen Fertigkeit, die eine Leistung in einem Kontext erfordert, in dem sich die regulierenden Bedingungen nicht ändern (strukturiert), erfordert die Gestaltung der Trainingsbedingungen, dass die Betroffenen die Fertigkeiten in einem bestimmten Kontext ausführen. In diesem Kontext muss er/sie die Fertigkeit ausführen, aber es ist auch notwendig, Erfahrungen zu vermitteln, wenn sich die nicht-regulatorischen Bedingungen und Situationen ändern.
Sitzungen der Rehabilitation zum Erlernen mehrerer Fähigkeiten oder Variationen von Fähigkeiten sollten die Möglichkeit bieten, alle Fähigkeiten zu üben, und zwar nach dem Zufallsprinzip.
Literaturangaben zum Artikel Motorisches Lernen
- Shumway-Cook A, Woollacott MH. Motor control: Translating research into clinical Practice. Philadelphia: Lippincott Williams & Wilkins; 2012.
- Magill RA. Motor learning and control. Concepts and Applications. Boston: Mcgraw-Hill; 2007.
- Sánchez-Cabeza A, Arana-Echevarría JL. Aprendizaje motor: teorías y técnicas. En: Cano de la Cuerda R y Collado Vázquez S, eds. Neurorrehabilitación. Métodos específicos de valoración y tratamiento. Madrid: Médica Panamericana, 2012.
- Sánchez-Cabeza A. Terapia ocupacional para la rehabilitación del control motor. Tratamientos basados en actividades para pacientes con daño cerebral adquirido. Saarbrücken (Alemania): Editorial Académica Española; 2011.
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